Wie schon im letzten Jahr war das Landungsufer in Überlingen der Austragungsort des dritten und letzten Bouldercups der Dreier-Serie. Auch in diesem Jahr wurde es ein in doppelter Hinsicht heißer Wettkampf, der zusätzliche Würze durch die Teilnahme einiger Österreicher erhielt, da er gleichzeitig auch als Wertung für deren nationale Wertung dienen würde.
Die Konstellation: Jonas Baumann, der erst 19jährige deutsche Meister, führte nach einem vierten Platz in München und dem ersten Platz in Heilbronn in der Gesamtwertung hauchdünn mit 10 Punkten vor Markus Hoppe, welcher die Plätze zwei und drei in den beiden Wettkämpfen belegt hatte. Bei den Damen sah es ähnlich knapp zwischen Julia Winter und Juliane Wurm aus. Da Erstere aber den Wettkampf fern blieb, war eine Vorentscheidung von vornherein gefallen. Mit einem Finaleinzug würde Juliane genügend Punkte holen um ungefährdet ihren Titel zu verteidigen und mit dem vierten Platz gelang ihr dies auch.
Für mich persönlich ging es nur darum, nach dem enttäuschenden 22.Platz in München und den guten 9.Platz in Heilbronn einen versöhnlichen Saisonabschluss hinzulegen und vielleicht noch einmal unter die Top Ten zu kommen.
Der Wettkampf begann wie immer mit der Qualifikation bei noch erträglichen 27°C. Der erste Boulder, den ich probierte, wartete mit einem Standard-Bewegungsproblem auf. In einer seichten Verschneidung waren zwei große etwas abschüssige Griffe geschraubt, zwischen denen man hochstützen und die Füße neben die Hände bringen musste. Der erste Versuch lief gut und als ich die Füße mit einiger Bastelei auf die großen Tritte gebracht hatte war der Rest kein Problem mehr. Ein guter Einstieg.
Als nächstes kam ein ziemlich leichter Boulder bei dem es zunächst mit kleinen aber guten Leisten an einer Kante nach oben ging bevor man auf einem großen Volumen tretend und mit einen Untergriff in der Hand nach rechts zum ziemlich abschüssigen Topgriff des Boulders queren musste. Ein Bewegungsproblem, aber wie schon gesagt nicht allzu schwer, da auch fast das gesamte Teilnehmerfeld diesen Boulder flashen konnte.
Nun ging es an die harten Boulder. Der nächste, den ich mir vornahm, war an einer Art Schiffsbug dynamisch hoch zu einen sehr glatten zylinderförmigen Fieberglas-Volumen, welches nach leicht nach unten ragend abschüssig angebracht war. Dann ging es mit einer guten und einer sehr abschüssigen Leiste als Griffe darum, ein Bein über dieses Volumen zu bekommen und auf diesen zunächst aufzusitzen und später auch zu stehen. Eine ob des sehr glatten, weil nicht besandeten Volumens sehr delikate Angelegenheit die viele Leute abwarf, darunter auch sehr prominente Namen wie Emanuel Moosburger, einen der besten österreichischen Boulderer, der dadurch aber überraschenderweise als 23. in der Qualifikation hängen blieb. Ich hatte jedoch noch recht gute Bedingungen in diesem Boulder, da noch nicht viele Starter diesen unter die Finger genommen hatten und er gelang mir glücklicherweise gleich auf Anhieb.
So weit so gut. Damit war noch ein Boulder übrig. Von einem großen klobigen Untergriff im Dach ging es überkreuz mit links an einen leicht abschüssigen Griff, danach sollte man einen Heelhook setzen und weit nach rechts an eine kleine, aber passable Leiste an der Ecke von Dachkante und rechter Kante der Boulderwand ziehen. Dann galt es aus dieser fast waagerechten Position dynamisch hoch zu schnappen zu einem kleinen Seitgriff, welcher auf die rechte Seite der Kante geschraubt und damit schwer zu sehen war. Nun hing man endgültig in einer Art Kreuzhang, durfte die Füße kontrolliert kommen lassen und musste diese gut abfangen, um nicht durch den Schwung aus dem Boulder zu fliegen. Nach dem der Schwung abgefangen war, musste man nun schnell den rechten Fuß hoch auf die kleine gute Leiste an der Ecke bringen, bevor man mit rechts weiter an der Kante hochpatschen und schließlich den Sprung zum henkligen Topgriff ansetzen konnte.
Versuch 1 endete bevor er begonnen hatte, da ich die Hände nicht richtig am Startgriff sortiert hatte und dadurch den Hook nicht setzen konnte. Nach einer kurzen Pause Versuch Nummer 2, diesmal mit richtig sortierten Händen. Aber leider konnte ich den Schwung der Beine nach dem Auflösen des Hooks nicht gut abfangen und wurde förmlich aus dem Boulder katapultiert. Eine leichte Panik stieg in mir auf. Ich musste alle Boulder klettern sonst würde es nach Lage der Dinge vielleicht wieder nicht reichen, um ins Halbfinale zu kommen, wie in München. Also konzentriert an Versuch Nummer drei. Das Auflösen des Hooks kann ich diesmal besser abfangen. Aber nein, während ich versuche den rechten Fuß zu setzen, fangen beide Hände an, auf den Griffen zu rutschen und so glibbere ich langsam ab. Mist! Bleibt nur noch ein Versuch. Vorher lasse ich diesmal aber noch alle Griffe putzen um maximalen Grip zu haben und dieses Mal funktioniert es. Ich kann den Fuß setzen und erreiche mit einem entschlossenen Sprung den Gott sei dank riesengroßen Topgriff.
Nun beginnt das Zittern. Bei den über 40 Startern waren es vielleicht zwei Versuche zuviel. Erleichterung dann als der Ergebniszettel ausgehangen wird. Mit Platz 19 bin ich gerade noch so im Halbfinale dabei. Also schnell hoch in die Isolation (dieses Mal im örtlichen Gymnasium), wo zunächst einmal die Energiespeicher am Buffet aufgefüllt werden wollen.
Um 14.00 Uhr geht es mit dem Halbfinale weiter bei nunmehr 35 Grad im Schatten und was weiß ich wie viel in der Sonne bzw. an der Wand. Der erste Boulder liegt mir überraschend gut. Offensichtlich handelt es sich um ein Produkt von Manuel Brunn, da es konkrete d.h. hinterschnittene Griffe gibt. Der Boulder scheint wie für mich gemacht, nur ein schwerer Zug ist oben kurz vor dem Top drin, wo man zwei Leisten nach rechts anhangelt und den Fuß hoch und sehr weit links setzen muss, um dann das Gewicht nach links rüberschieben zu können. Ich kann den Boulder flashen und feiere dies am Top angekommen kurz mit einer geballten Faust.
Der nächste Boulder ist von ganz anderer Bauart. Alle Griffe sind entweder ganz aus Plastik oder haben golfballähnliche Plastikstrukturen eingelassen, die man zum Leidwesen aller Beteiligten auch tatsächlich als Griff nehmen muss, eine typisches Produkt von Routenbauer Mike Schuh. Es gelingt mir leider nicht einmal den Zonengriff zu erreichen. Die vier Versuche innerhalb der vier Minuten haben ihre Spuren hinterlassen und ich sinke für meine vier Minuten Pause auf die Bank. Hoffentlich läuft der nächste Boulder besser… und als wenn meine Gebete erhört worden wären, stehe ich vier Minuten später vor Boulder Nummer drei: der Bauart nach zu urteilen wieder von Manuel, kleine Leisten, die man aber schön zukrallen kann und dazu kleine aber gute Tritte. Wieder mehr Fingerkraft und Bewegen, also quasi typisch sächsisch. Auch dieser Boulder gelingt im Flash und wird gebührend gefeiert.
So bleibt nur noch ein Halbfinalboulder. Dieser präsentiert sich ganz in Holz, es handelt sich also wieder um eine Kreation von Herrn Schuh. Diese liegt mir aber um einiges besser als diese unsäglichen Plastikgriffe aus Boulder zwei. Im zweiten Versuch komme ich auf die Idee wie der Boulder funktioniert und komme bis zum letzten Griff vorm Top. Aber als ich an diesem einen Griffwechsel probiere, entscheidet sich einer meiner Füße vom Holztritt zu rutschen. Leider habe ich damit gerade so viel Kraft verbraten, dass auch die nachfolgenden drei Versuche nicht vom Erfolg gekrönt sind. Platt und zufrieden verziehe ich mich für fünf Minuten in den Schatten, bevor ich mit der Kamera von Karsten Borowka bewaffnet die restlichen Starter des Halbfinales unter die Linse nehme.
Aber auch diese haben in den Bouldern ganz schön zu kämpfen. Karsten schafft leider nur einen der vier Boulder. Etwas besser läuft es bei Markus Hoppe welcher drei Boulder schafft. Nur Boulder Nummer zwei kann er nicht toppen. Eine wahre Demonstration liefert Jonas Baumann, welcher alle vier Boulder flasht und sich damit an Position eins festsetzt. Nur der Innsbrucker Martin Hammerer kann auch noch alle vier Boulder dieses Halbfinales toppen. Stefan Danker aus Landshut erreichte drei Tops braucht aber mehr Versuche als Markus und ist damit nach dem Halbfinale Vierter.
Mehr habe ich zunächst nicht registriert und stelle nach einen Blick auf die Ergebnisliste nach dem Halbfinale mit Erstaunen und riesengroßer Freude fest, dass meine zwei geflashten Boulder zum vorläufigen fünften Platz gereicht haben. Damit bin ich zum ersten Mal in einem Finale im Deutschen Bouldercup. Fassungslos aber überglücklich trete ich somit nochmals den Gang in die Isolation an. Dort schlage ich mir den Bauch abermals mit Kuchen voll und lasse mich von einer der beiden Physiotherapeutinnen massieren (Vielen Dank an dieser Stelle an Andrea und Barbara, die diesen Service, wie schon im Jahr zuvor, möglich gemacht haben). Völlig relaxt geht es 17.40 wieder hinunter in den Ort an den Platz des Geschehens.
Nun werden an jedem der Boulder nacheinander alle sechs Finalisten klettern. Dabei hat man ein Zeitlimit von sechs Minuten und kann so viele Versuche machen, wie man möchte oder es von der Kraft hinbekommt. Da in umgekehrter Reihenfolge der Platzierung gestartet wird, bin ich der zweite Starter an jedem der Boulder.
Der erste Boulder läuft wieder anhand des Schiffbugs aus der Qualifikation, welcher mit kleinsten scharfen Leisten an dessen Oberkante und an der Kante zu der Platte darüber garniert wurde. Der erste Versuch ist zu überhastet. Ich versuche direkt an die erste der kleinen Leisten zu springen und fliege mit der Wucht des Sprunges vom Boulder ab. Also nächster Versuch. Diesmal versuche ich zuvor den rechten Fuß auf den großen Startgriff zu setzen und damit dosierter und kontrollierter in der Endphase des Dynamos zu sein. Es gelingt. Ich kralle die nächste kleine Leiste zu, zuerst mit der linken Hand, dann die rechte dazu. Nun bringe ich den Fuß auf die erste kleine Leiste. Ich muss mich teuflisch nach links in die schlechte kleine Leiste legen, damit der Fuß so hoch gebracht werden kann, aber es funktioniert. Ich kann mich damit mit dem ganzen Körper auf die Platte schieben und den Topgriff erreichen. Ein guter Start. Der zweite Boulder ist eine komplexe Mischung aus kleinen Griffen, Treten in einer Verschneidung auf Wand und dynamischen Bewegungen- ein wahres Feuerwerk von Kraft und Bewegung. Nur wie der letzte Zug gehen soll bleibt mir ein Rätsel. Ich schaffe es weder in der Verschneidung höher zu kommen, noch den sehr schlechten Seitgriff links in irgendeiner Weise für mich zu nutzen, und in eine gute Position für einen Sprung zum Top komme ich auch nicht. Gott sei dank bin ich damit nicht allein.
Nacheinander treffen alle Teilnehmer des Finales wieder hinter der Wand ein. Bei allen der gleiche leicht fragende Blick, der sagen soll „Habt ihr das gebracht? Und wie soll das gehen?“
Zweifellos einer der Boulder die über den Sieg entscheiden. Nur Markus Hoppe gelingt es diesen Boulder zu klettern. Damit kann er sich zunächst vor Jonas Baumann schieben, der ebenfalls an diesem Boulder passen muss. Nun geht es zum dritten Boulder des Finales, dem „Schwimmring-Boulder“. Links und rechts einer senkrechten Kante sind rote Ringe aufgeschraubt in die man mehr oder weniger gut hineingreifen kann. Hier ist wieder gutes Bewegen gefragt. Die Abfolge der Griffe ist ziemlich klar vorgegeben. Auch hier versiebe ich meinen ersten Versuch, weil ich die Hände falsch am Startgriff sortiert habe. Der zweite Versuch geht besser und ich beisse mich die teilweise weiten Züge durch den Boulder hoch.
Bleibt nur noch der letzte Boulder, welcher aus einer weiten Linksquerung besteht. Neben dem Fieberglas-Volumen, welchen diesmal aber nur als rutschiger Tritt dient, gibt es aber eine Vielzahl an Leisten die gar nicht mal schlecht sind. Man muss nur richtig sortieren, dann sollte das alles gehen. Gesagt, getan. Es geht! Im Flash! Was für ein schöner Abschluss!
Nur für Jonas ist das ein wenig bitter. Er konnte an den letzten beiden Bouldern nichts mehr gegenüber Markus rausholen und muss sich mit Platz zwei und der Vize-Meisterschaft begnügen. Damit wird Markus zum dritten Mal Deutscher Bouldermeister (und ich denke auch letzten Endes verdient). Meine Glückwünsche.
Für mich steht am Ende des Wettkampfes der vierte Platz, den ich sogleich mit drei Kugeln Eis begehe, während es neidische Blicke vom Sieger gibt. So ein schöner Tag! Mal sehen vielleicht kann man das ja irgendwann wiederholen und wenn nicht, dann eben nicht…